Die Bücher haben gelogen. Moody, Keene, Kirkman oder Dissieux. Sie alle sind Dilettanten, was das Schreiben betrifft, und haben keine Vorstellung von der verdammten Wirklichkeit. Ich reiße eine Seite nach der anderen aus ihren Büchern und werfe sie ins Feuer. Orangefarbene Schatten mit schwarzen, verwaschenen Rändern beginnen, in den Ecken des Zimmers zu tanzen. Die simple Fantasie der Ignoranten löst sich in beißendem Rauch auf und verschwindet wie die Seelen der einstigen Verfasser. Verschimmelte Tapeten hängen wie ausgedörrte Zungen von den Wänden, und durch den Tanz des Feuers entsteht der Eindruck, als würden sie sich lasziv auf- und abbewegen. Schwarze Flecken auf rohem Stein erinnern mich an meine Träume, in denen ich in so mancher Nacht durch ein verheertes Land streife, stets auf der Flucht vor einem namenlosen Grauen, das mein Verstand nicht greifen kann. Das Feuer schafft es kaum, mich zu wärmen, doch es vermittelt mir etwas Lebendiges. Etwas, das sich bewegt und in einer toten Welt überdauert hat. Ich lehne mit dem Rücken gegen die kalte Wand und starre in die Flammen, versuche mir vorzustellen, wie die Geschichten, die ich einst geliebt und verschlungen hatte, als kleine Sterne in einen erloschenen Himmel aufsteigen. Wie die Worte auf dem Papier sich in die Schreie der Sterbenden verwandeln. Das wahre Leben sieht anders aus, kann mit dem Wort Fantasie nicht annähernd beschrieben werden. Man kann derartige Geschichten erst niederschreiben, nachdem man sie selbst erlebt hat. Doch dann dürfte es zu spät dafür sein. Wer sollte sie noch lesen und auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen können? Eine Weile lasse ich meinen Blick durch den Raum wandern. Vor vielen Jahren war es einmal ein Wohnzimmer gewesen, doch alles, was davon geblieben ist, sind die Trümmer eines Schrankes mit gesprungenen Glasscheiben, eine mit Schimmel und Grünspan überzogene Couch und ein Fernseher, der mitten im Raum auf dem Boden liegt, die Mattscheibe in einem Akt der Verzweiflung eingetreten. Dazu ein mit Kinderkleidung gepolsterter Sessel. Der Teppich ist mit Erde und Sand bedeckt und hart wie Stein. Direkt neben einem eingeschlagenen Fenster wächst Unkraut. In der gegenüberliegenden Ecke liegt ein Ball, dessen ehemals rote Farbe das trostlose Schwarz dieser Welt angenommen hat. Daneben steht ein Dreirad, verrostet, die Räder von grauen Ranken umschlungen, als versuchten sie, das Spielzeug in den morschen Holzboden zu ziehen. Es ist lange her, dass ich hier zu Hause war. Für einen kurzen Moment sehe ich ein kleines, blondes Mädchen auf dem Dreirad sitzen, die Haare zu einem wippenden, lustigen Pferdeschwanz gebunden, sehe einige widerspenstige Strähnen, die ihr über die Ohren bis auf die Schultern fallen. Dann verblasst das Bild, als würde man eine Fotografie im Feuer verbrennen, und zurück bleibt die Asche der alten Zeit. Ein Augenblick der Schwäche, den ich trotz aller Kälte, die ich in mir zu halten versuche, nicht vermeiden kann. Ein kurzer, freier Fall mit einem schmerzhaften Aufschlag, jedoch bei weitem nicht so schlimm wie früher. Das ist es, was mich in diesen Momenten am meisten aus der Bahn wirft; die Tatsache, dass der Schmerz vergeht, dass er nachlässt und eine immer kälter werdende Gleichgültigkeit zurücklässt. So sehr ich ihn auch halten will, bin ich doch froh darüber, dass das Leben scheinbar immer noch seinen natürlichen Lauf nimmt und der Schmerz im Laufe der Jahre seine Farbe verliert. Das Mädchen auf dem Dreirad verblasst und löst sich wie Nebel am Morgen auf. Und doch spüre ich das Salz bitterer Tränen auf den Lippen. Wie lange ist es her, dass die Bilder Wirklichkeit waren? Wann hatte das Lachen des Mädchens zum letzten Mal das Zimmer erfüllt? Es kommt mir vor, als läge ein ganzes Leben dazwischen. Ich schüttele den Kopf, wische mit dem Handrücken über die Augen und lehne den Kopf gegen die Wand. Tanzende Funken steigen von der Feuerstelle in der Mitte des Zimmers auf und streben zur Decke, wo sie ein schwarzes Muster bilden. Dann hasten sie in Richtung des offenen Fensters. Es ist, als würden die letzten Geister das Haus verlassen. Ich wünsche, ich wäre einer von ihnen und könnte das alles endlich hinter mir zurücklassen. Einfach aufsteigen, zur Decke hin, in die Nacht hinaus und weiter auf dem endlosen Weg zu den Sternen. Wieder einmal frage ich mich nach dem Warum. Nicht warum sich die Welt verändert hat. Warum ich noch lebe. Ich weiß inzwischen, dass es keinen mehr gibt, der mir darauf eine Antwort geben könnte. Weder auf Erden noch im Himmel. Ich frage mich vielmehr, warum ich jeden gottverdammten Tag versuche, zu überleben.